Grund genug hierzu mit Jessica ein kleines Interview zu führen.
Jan Horstkotte:
Erst einmal herzlichen Glückwunsch Jessica! Ein toller 23. Platz. Wie war das Rennen für Dich?
Jessica Lambracht: „Es ging schon relativ gut los, der Start hat ganz gut geklappt, so dass ich mich direkt da befand wo ich hingehöre. Das ist ziemlich wichtig.
Der weitere Rennverlauf verlief konzentriert und defektfrei für mich – also nahezu optimal. Ich war sehr gut in Form und konnte meine Leistung voll abrufen.“
Im Zielsprint hast Du noch eine Amerikanerin überrascht. Hattest Du sie schon länger im Visier?
„Ich habe schon die ganze letzte Runde beobachtet wie die Amerikanerin immer langsamer wurde. Da hab ich mich auf der Zielgeraden nochmal zusammengerissen weil ich wusste, sie kann nicht mehr. Das war reiner Wille. Ich hab noch mal alles gegeben, obwohl ich eigentlich gar nichts mehr hatte.“
Ist die WM-Strecke denn anspruchsvoller als hiesige Rennen?
„WM Strecken sind ja immer auch Weltcup-Strecken. Im Vergleich zu hiesigen Strecken ist es auffällig, dass man dort viel mehr auf Wiesen unterwegs ist und weniger auf Waldabschnitten. Außerdem muss man im Weltcup, bzw. bei der WM deutlich mehr laufen da sie anspruchsvollere Passagen beinhalten und der aufgeweichte, nasse Boden das Fahren kaum zulässt.“
Wer hat Dich bei der WM betreut? Deine Eltern, oder gibt es da Leute vom BDR, die Dir saubere Räder reichen?
„Zum einen natürlich meine Eltern, mein Vater als Mechaniker meines Vertrauens und meine Mutter als Betreuerin. Dabei werden sie von BDR-Mechanikern, bzw. Physios unterstützt.“
Und ist jetzt Entspannung angesagt, oder geht es gleich weiter?
„Erstmal zwei Wochen Saisonpause, dann geht die Vorbereitung auf die Straßensaison los.“
Fährst Du eigentlich lieber Cross oder doch eher auf der Straße?
„Auf jeden Fall lieber Cross, Cross ist mein Ein und Alles! Ich liebe diese Sportart. Einfach knüppelhart, keine Sekunde Zeit zum Ausruhen und totale Konzentration. Faszinierend, da man sowohl die Technik „draufhaben muss“ als auch Druck in den Beinen.“
Jessica, ein paar Fragen noch zu Deinem Training:
Mit welchem Alter hast Du das erste Mal auf dem Crosser gesessen? Und wann war Dein erstes Rennen?
„Mit 11 Jahren bin ich mein 1. Rennen im Weser–Ems-Cup mit dem MTB bei den Hobby-Kids gefahren. Ein Jahr später hatte ich schon einen Crosser.“
Wieviel Training gehört denn dazu um so weit oben mitzufahren?
„Ich trainiere hart, strukturiert und fokussiert. Da ich ja noch zur Schule gehe, habe ich nicht übermäßig viel Zeit auf dem Rad zu verbringen. Aber wenn, dann richtig. Natürlich sitze ich beim Grundlagentraining auch schon mal vier Stunden auf dem Rad, aber sonst eher 2,5 bis 3,5 Stunden.“
Wie oft trainierst Du speziell für Crossrennen? Ist das überhaupt hier in der Nähe möglich? Fährst Du dann im Wald oder eher auf Wiesen?
„Nach der Straßensaison trainiere ich ab Herbst speziell für Crossrennen. Das passiert in dem Wald vor unserer Haustür. Wiese fahr ich nur selten, bei uns in der Siedlung gibt es so einen Spielplatz mit Bolzplatz, da drehe ich manchmal meine Achten.“
Hast Du ein oder zwei schlagkräftige Trainingstipps für uns?
„Speziell für Cross würde ich viel Intervalltraining empfehlen – auf einer kleinen 500 m Runde. 15 Sekunden alles was geht / 45 Sekunden locker. Wenn man die Runde besser kennen lernt, traut man sich auch die Kurven immer schneller zu fahren – am besten bis in den Grenzbereich.
Mir persönlich hat es immer geholfen mir vorzustellen und zu denken, wie Marianne Voss (Weltmeisterin Frauen) fährt. Man muss es schon quasi fühlen – um dann zu versuchen ihren spritzigen Fahrstil zu kopieren.“
Wie geht es jetzt für Dich weiter, was sind Deine Ziele? Muss man als Frau auch nach Belgien ziehen wie bei den Herren Phillip Walsleben, um in der Hochburg des Cross-Sports zu fahren?
„Auf jeden Fall möchte ich weiterhin Radsport machen, so professionell wie möglich. Nach meinem Abitur im Sommer werde ich nach Berlin ziehen um eine Ausbildung zu beginnen (im Radgeschäft). Nebenbei werde ich – so gut es machbar ist – trainieren und möglichst professionell leben. Dabei unterstützt mich mein Lebenspartner Silvio Herklotz, der als Radprofi ohnehin schon so lebt.
Ich denke als Frau ist es weniger notwendig nach Belgien „auszuwandern“. Das sieht man z. B. an Hanka Kupfernagel oder diversen tschechischen Fahrerinnen. Die sind auch top.
Bei den Männern sieht es da allerdings anders aus.“
Ein Frage an Deine Eltern:
Überwiegt bei Euch eigentlich der Stolz auf die Leistung der Tochter oder der Frust, dass sie jetzt schneller ist als Ihr?
Bettina Lambracht: „Ich glaube nicht, dass es Eltern gibt, die nicht stolz auf ihre Kinder sind, wenn sie erfolgreich sind.
Anfangs haben wir (Jessi & ich) uns allerdings ab und zu den „Spaß“ gemacht, dass die „Verliererin“ eine vereinbarte Arbeit erledigen musste. Als das zu einseitig wurde, habe ich damit aufgehört…“
Vielen Dank an Euch für die Teilnahme und alles Gute für Deine weitere Radsportkarriere Jessi.