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Rad am Ring 2009

Bericht 24-Stunden Rennen „Rad am Ring“ am 1. & 2. August 2009

von Dario Wildmann

Wir befinden uns im 21. Jahrhundert. Der Nürburgring ist ganzjährig von den Motorsportlern besetzt… Ganzjährig? Nein! Ein Wochenende im Jahr belagert ein unbeugsamer Haufen von Radsportlern die „Grüne Hölle“ und hört auch des Nachts nicht auf, die Kurbeln rund zu treten…Klar dass bei so einem Event auch ein paar „unbeugsame Sprintaxianer“ mitmischen wollten, wenn gleich der Zaubertrank unseres Druiden (sprich Sponsor mit den weissen Buchstaben auf rotem Grund) zur innerlichen Anwendung nur bedingt geeignet ist…Ach so, „Rad am Ring“ nennt sich das Ganze und beinhaltet Jedermannrennen über 70 und 140 km, RTFs sowie Marathon über die legendäre Nordschleife, und die Krönung ist das 24-Stunden Rennen per Rennrad oder MTB als Einzelstarter, 2er-, oder 4er-Team (MTB auch 8er-Team). Bei den Teams ist immer nur 1 Fahrer auf der Strecke während sich die anderen ausruhen können. Der Zeitmeßtransponder muss bei jedem Fahrerwechsel übergeben werden.

Die 24 Stunden sollten’s natürlich sein, und damit es nicht ganz so schwer wird (eine Runde hat immerhin auf 23 km satte 500 Höhenmeter) musste ein 4er-Team her.

Im Dezember 2008 hatten sich 4 „Unbeugsame“ gefunden: Werner Grundkötter, Thomas Sliwka, Sebastian Stasink, Dario Wildmann.

Rad am RingEin zweites Team war geplant, wurde aber leider nicht angemeldet – 2010 wird es wohl klappen. Ursprünglich wollten wir einen Boxenplatz buchen, allerdings waren die zum Zeitpunkt unserer Anmeldung schon alle vergeben, also Parzellenplatz draußen im Fahrerlager. Wir benötigten somit neben dem Bulli für den Transport noch ein Zelt zum Aufspannen hinter der Bulliladefläche.
Unsere Planung sah vor, bereits einen Tag vorm Start anzureisen, damit man die Nacht vorm Rennen noch mal gut schlafen kann.
Eine gute Unterkunft war schnell gefunden und reserviert – aus seiner Motorsportzeit kannte Thomas noch eine Privatpension im Herzen der Nordschleife in Herschbroich. Unsere Gastgeberin ist gar die Bürgermeisterin des Ortes und wusste beim Frühstück viel über die Region und den Ring zu berichten.
Unsere Teambesetzung war allerdings noch nicht so gesichert wie der Startplatz und die Unterkunft – Sebastian musste absagen aufgrund von Vaterschaftsfreuden und daraus resultierendem Trainingsmangel. Ersatz war schnell gefunden: Marcel Gojdar stand bereit und dann 2 Wochen vor Start gesundheitsbedingt leider wieder nicht. Also noch mal ein Fahrerwechsel. Spontan konnte Jens Neumann einspringen und auch die 2 Urlaubstage noch so kurzfristig bei seinem Arbeitgeber durchboxen. Eine Begleitperson haben wir mit Ragnar Thiel dann auch noch gefunden. Ragnar wollte uns tatkräftig unterstützen und die Nordschleife dann als Gastfahrer ohne Rennstress erkunden.

So konnte es dann losgehen: Die Wetterprognosen sagten überwiegend freundliches Wetter mit möglichen Schauern zum Sonntag an – könnte
schlimmer kommen.

Also Freitagmittag den Bulli vom Verleiher abgeholt, alles einpacken und los.
Eine lange Checkliste mit allen mitzunehmenden Dingen war unerlässlich. Immerhin brauchte man ja schließlich eine fast komplette Campingausrüstung, ordentlich Verpflegung, Ersatzteile, Werkzeug, Ersatzlaufräder, etc. und genug Radklamotten für alle Witterungen. Die Eifel kann ja auch im Sommer ganz schön kalt und nass werden. Dann noch die fünf Räder rein und der Bulli war voll.
Nach unserem Zimmerbezug in Herschbroich fuhren wir noch Richtung Startbereich zum Abholen der Startunterlagen und um anschließend noch mal die Energiespeicher beim ordentlichen Abendessen in Nürburg zu füllen.

Rad am RingSamstagvormittag: Zeitiges Aufstehen, reichhaltiges Frühstück in der Pension und dann ab zum Ring. Der Rennstart war auf 13:20 terminiert, bis dahin musste unser Camp einsatzbereit sein. Auf dem Fahrerlagergelände war schon reges Treiben bei unserer Ankunft. Viele Teams haben ihr Camp bereits am Freitagabend aufgebaut und die erste Nacht auf dem Ring verbracht. Unsere bereits bei der Anmeldung gebuchte Parzellenlage erwies sich als optimal. Direkt an der mitten durchs Fahrerlager verlaufenden Streckenführung mit guter Sicht auf zwei vorgelagerte Kurven. Für die direkt am Camp erlaubten Fahrerwechsel war eine gute Sicht auf den herannahenden abzulösenden Fahrer schon wichtig. Wir wollten ja keine unnötige Zeit beim Fahrerwechsel verlieren. Der weitere Campaufbau lief reibungslos, unsere Parzellennachbarn waren auch recht umgänglich. Um 11:00 musste ich dann zur Teamleiterbesprechung ins Pressezentrum, wo ich mir dann über eine Stunde lang diverse Regelungen und Abläufe anhören durfte. Das alles bei schönstem Sonnenschein in einem überfüllten nichtklimatisiertem Raum mit riesigen Fensterflächen – noch keine Runde gefahren und schon durchgeschwitzt.
Die Ehre der ersten Runde wurde mir zuteil. Also vorher noch ein wenig auf dem Grand-Prix-Kurs warmfahren und dann ab in die Meute der Startaufstellung. Der Streckenverlauf der ersten Runde ist etwas anders als der der Folgerunden, dieser geht nämlich über den kleinen Grand-Prix-Kurs und erst danach auf die Nordschleife. Die anschließenden Runden verlaufen dann von der Nordschleife kurz über die Start-Ziel-Gerade und biegen dann ab, um quer durch das Fahrerlager zu fahren, hinter dem dann wieder auf die Nordschleife eingebogen wird.

Nun, gut. Startschuss, Abfahrt, Vollgas. Unser Ziel war es schon recht weit vorne zu landen (Top 20); bei über 500 gemeldeten 4er-Teams und angesichts einer uns unbekannten anspruchsvollen Strecke ein recht hoch gestecktes Ziel. Um gut über die Distanz und die Zeit zu kommen hatten wir uns eigentlich vorgenommen auf den ersten Runden nicht ganz Vollgas zu fahren um Körner für später zu sparen. Tja, gute Vorsätze sind zum Brechen da – Puls 180 und schön mit der zweiten Gruppe mitheizen…

Rad am RingDas erste Drittel der Strecke geht stetig auf und ab, giftige Wellen die einen dazu verleiten das große Blatt stehen zu lassen (oben bereut man’s heftig…)
Dann, ab Kesselchen/Klostertal geht’s nur noch hoch, zwar moderat aber recht lang. Die Krönung folgt ab dem Karussell, die Steigungsprozente übertreffen schnell die 10%-Marke um dann an der hohen Acht ihren Spitzenwert um die 17-18% zu erreichen. Die folgende kurze Abfahrt war eine Wohltat, wenngleich das Verschnaufen nur kurz währte, erstmal gings nämlich schön wellig weiter. Also bergab immer ordentlich schön Schwung holen um den nächsten Anstieg etwas zu erleichtern. Erholung gibts auf diesem Kurs nicht! Ab Döttinger Höhe folgt noch eine schöne lange Gerade (selbstredend mit Gegenwind), schön wenn man hier Windschatten findet. Aber gerade solcher sollte auf den späteren Runden immer schwerer zu finden sein, da sich die größeren Gruppen vom Start doch ziemlich schnell auf dem selektiven Kurs zerstückelt hatten. Dafür hat man auf den Abfahrten und in den Kurven meist viel Platz und kein Gerangel, man kann hemmungslos die Kurven ausfahren, bremsen kaum nötig; der gesperrte Rundkurs machts möglich. Noch zwei „Asphaltblasen“, dann erreicht man wieder die Start-Ziel-Gerade. Gepuscht von den Zuschauern wird noch mal alles gegeben, einmal quer durchs Fahrerlager, bloß keine Schwäche vor den gegnerischen Teams zeigen und dann endlich unser Camp in Sicht: Fahrerwechsel.

Werner war dran, ich war fertig. Schwer vorzustellen, wie man das über 24 Stunden durchhalten soll. Nein, nein, die nächsten Runden müssen lockerer angegangen werden (wer’s glaubt…). Zum Glück hatten wir uns auf 1-Runden-Turns geeinigt, dies sollte sich als kluge Entscheidung herausstellen. Unklug war dagegen anfangs noch unsere Zeitmeßtransponder-Übergabe. Dieser war an einem Klettband befestigt und sollte um das Fußgelenk getragen werden. Also musste der Wechsel stehend erfolgen und das kostete Zeit. Nach einigen Wechseln haben wir dann die Strategie von vielen anderen Teams übernommen, indem wird den Transponder an einer Trinkflasche befestigten und diese dann im fliegenden Wechsel übergeben konnten. Trotz dieser erst schlechten Taktik waren wir nach den ersten Runden innerhalb der Top 15 der Gesamtwertung. Wir hegten aber doch Zweifel so eine Platzierung auch über Nacht halten zu können, zumal mittlerweile ja jeder von uns einen (recht angestrengten) Eindruck der Strecke gewinnen konnte. Egal, die Stimmung war gut, das Wetter passte, jeder von uns gab sein Bestes und das Material machte auch mit. Mehr geht nicht.

Dann kam die Dunkelheit über den Ring. Einsatz der Beleuchtungsanlagen. Keine Chance ohne gutes Licht über die Strecke zu kommen. Vereinzelte Stellen wurden zwar beleuchtet, aber der Großteil der Strecke läuft durch absolute Finsternis, auch dank der vielen Waldgebiete. Trotz guter Lichtanlage war es von Vorteil wenn man sich den Streckenverlauf bislang gut eingeprägt hatte, manch schnelle Kurvenkombination ließ sich besser erahnen als rechtzeitig sehen. Dennoch ein unvergleichliches Erlebnis in völliger Ruhe ein Meer von kleinen sich bewegenden roten Punkten am Fuß der Hohen Acht vor sich zu sehen, um dann einzutauchen in den Fluss des schweren Atmens der Mitstreiter und dem leisen Rasseln der Ketten. Einzig die Blitze am Horizont vermochten mir diese Ruhe zu nehmen, ein Gewitterschauer in dieser Dunkelheit war jetzt nicht mein Wunschtraum… Es kam, wie es kommen musste, der Himmel fing vor lauter Freude über die Vielzahl nachtschwärmender Radler an zu weinen, wenngleich uns der Gewitterschauer erspart blieb, die Dusche recht moderat ausfiel. Aber ausreichend genug, um die Strecke etwas rutschiger zu gestalten.
Für die Nacht hatten wir festgelegt in 2-Runden-Turns zu fahren, damit die Ruhezeiten zum Schlafen lang genug sind. Dies war unser zweiter strategischer Fehler. Zum einen fehlte uns eh die nötige Ruhe um länger ruhig zu liegen, geschweige denn zu schlafen (man war einfach zu aufgedreht), und zum anderen, was noch viel schlimmer war, dass die zweite Runde des Turns bei jedem von uns auffällig schlechter ausfiel. Die Kraft reichte einfach immer nur für eine gute schnelle Runde, an der hohen Acht hätte ich auf der zweiten Runde fast geschoben. Nachdem jeder von uns einen Doppelturn hinter sich hatte, verabschiedeten wir uns schnell wieder von dieser Taktik.
Das Morgengrauen nahte – statt des erhofften Sonnenaufgangs, den mir Thomas noch bei der Transponderübergabe zu meiner nächsten Runde wünschte, beglückte mich noch mal der Himmel mit ein paar feuchten Tropfen…
Unser Camp sah mittlerweile aus wie nach nem Bombeneinschlag, aber nur das Genie beherrscht das Chaos (wir hatten wohl 5 davon onboard…).
Ragnar schenkte uns am Morgen auch wieder seine Anwesenheit, über Nacht hatte er doch das warme Pensionsbett und morgens ein ordentliches Frühstück vorgezogen. Wir vier Fahrer sahen zwar eindeutig mitgenommener aus als er, aber unser Kampfgeist war ungebrochen, die Top-20 musste auch nach unserer ungünstigen 2-Runden-Nacht-Strategie gehalten werden.
Die restlichen Runden am Vormittag verliefen wie im Fluge. Ab der 7. Runde fing ich für meinen Teil mit der hohen Acht an zu Reden: „Einmal komme ich noch vorbei – du schaffst mich nicht!“, auf der 8. motivierte mich der Gedanke hier lange nicht mehr hochfahren zu müssen, denn dies sollte auch meine letzte Runde sein. Unsere Hochrechnungen hatten ja ergeben, dass wir bei Einhaltung unserer gemittelten Rundenzeiten vor Streckensperrung für Neurunden, bequem noch Jens auf die letzte Runde für das Team schicken konnten. Jens fuhr diese 31. Runde noch sauber bis ins Ziel wo wir alle gegen 13:15 warteten (dummerweise hat er uns beim Zieleinlauf im Delirium nicht gesehen…).
Damit hatten wir den 16. Platz (von 476 gewerteten Teams) der Gesamtwertung, sowie den 9. Platz in der Altersklassenwertung geholt! Auf 31 Runden sind wir ca. 719 km gefahren mit einer Durchschnittgeschwindigkeit von 31,1 km/h.
Kein Sturz, keine Panne. Ein paar Krämpfe des Nachts und ein Platter direkt nach dem Rennen stehen in unserer Bilanz.
Das Team hat super harmoniert und der Entschluss für Rad am Ring 2010 war schnell gefasst.

Doch zunächst war aufräumen angesagt. Alles abbauen, verstauen und einpacken, dann in die Stauschlange der Abfahrenden eingereiht. An der nächsten Tankstelle wurde unser Abendnachtisch besorgt: Bier. Klar, müde waren wir alle, aber nach einer heißen Dusche in der Pension machte sich erstmal der Heißhunger breit. Nach dem zeremoniellem Wildschweinessen unter freiem Himmel (ne, ne, war schon gut bürgerlich z.B. Pommes mit Majo ohne Pommes – Namen werden in diesem Fall aus Datenschutzgründen nicht genannt…) waren wir fürs abschließende Bier immer noch fit genug. Der Schlaf danach tat aber wohl doch allen ganz gut. Nach ausgiebigem Frühstück bei unserer Bürgermeisterin am Montagmorgen (oder war’s doch schon Mittag?) rollten wir dann entspannt wieder gen Heimat.

Unser Fazit fürs Rennen:
Super Event – sichere Strecke – sehr anspruchsvoll vom Profil – schnelle Kurven (ja, ja, heiße gibt’s auch zu sehen) – klasse Stimmung im Fahrerlager (nicht alle fahren auf Wertung, Grillpartys der Teams am Abend/Nacht) – gute Organisation – Preis/Leistung o.k. – ne Menge Spaß und schwere Beine, der Name „Grüne Hölle“ ist Programm.
Nichtsdestotrotz ist es auch mal wieder eine Sache des Wetters. Bei 24 Stunden Regen und Kälte kann das Zeltlager schnell zur Tortour werden, was uns zum Glück erspart blieb.
Vielen Dank noch an unsere Besucher. So etwas motiviert ungemein!
Wir wollen 2010 auf jeden Fall wieder bei den Unbeugsamen dabei sein und die Römer aus Gallien vertreiben, äh quatsch – unseren Platz verteidigen oder gar verbessern.

 

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