Die 170 km Strecke startet in Busigny, also ca. 150 km südlich von Roubaix, wobei die anderen Strecken als Rundkurs in Roubaix am Vèlodrome starten und dort auch wieder enden. So ging es also für Marit und mich am Freitagvormittag ins 550 km entfernte Roubaix. Nach dem Hotel Check In im Herzen von Roubaix folgte dann die Abholung der Startunterlagen am Vèlodrome de Roubaix, wo ein Besuch der „Pavè“ Kneipe ebenso obligatorisch ist, wie ein Blick in das 400 m Vèlodrome, wo das offizielle Ziel der Profis und auch der Hobbyfahrer ist.
Abends ging es dann noch in eine Pizzeria unweit des Hotels und danach zeitig ins Bett, weil die Nacht ja schon am Samstag um 06:00 enden sollte. Der Samstagmorgen begrüßte Marit und mich zwar noch trocken und mit 10 Grad Außentemperatur, aber der Westwind pfiff schon ordentlich.
Ebenso, wie in Deutschland, gibt es bei den RTF’s oder vergleichbaren Veranstaltungen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden zwar eine offizielle Startzeit, doch wie gewohnt hält sich niemand daran. Im Gegensatz zu Deutschland ist das aber positiv zu betrachten. Die Teilnehmer stehen dort nicht wie wilde Stiere am Start, um ein Ausscheidungsrennen zu fahren, sondern nutzen das Startfenster (7-10 Uhr) voll aus und fahren in eigenen Gruppen irgendwann nach Lust und Laune los.
Während wir letztes Jahr die ersten 35 km im dichten Nebel fahren durften und dabei nichts von der schönen Gegend Frankreichs sehen konnten, fing es dieses Jahr pünktlich zum Start an zu nieseln und zu regnen. Und genau wie letztes Jahr wurde das Wetter kurz vor erreichen des jeweiligen 1. Pavè besser und es hörte auf zu regnen.
Marit und ich gingen gemeinsam um 7:30 auf die 71 bzw. 141 km Strecke. Nach ein paar Kilometern gab ich dann Gas, denn ich hatte ja ein paar Kilometer mehr zu absolvieren.
Zwar formierte sich hinter mir eine kleine Gruppe, wir waren so ca. 6-8 Fahrer, aber Führungsarbeit wurde von fast allen abgelehnt. So beschloss ich dann, so wie im letzten Jahr auch, mein eigenes Tempo durchzuziehen, egal ob Andere folgen konnten, oder nicht.
Nach 29 km wurde an der ersten Verpflegungsstelle wieder etwas Luft aus den Reifen gelassen, denn der 1. Pavè war nur noch 16 km entfernt.
Meine bisherigen Windschattenbegleiter fuhren weiter, aber offensichtlich deutlich langsamer, weil ich nach ca. 7 km wieder aufschließen, bzw. überholen konnte. Im vorherigen Jahr wurde ca. 5 km vor dem 1. Pavè ebenfalls das Tempo etwas gedrosselt, doch diese Jahr wusste ich ja, was mich im Wald von Arenberg (Trouèe d’Arenberg) erwartet, nur eben nicht trocken, sondern nass.
Was, aus französischer Sichtweise „Pavè“ und „Secteur“ in Realität bedeutet, wird einem spätestens im Wald von Arenberg klar. Mit dem Begriff „Secteur“ sind im Prinzip Streckenabschnitte gemeint, ähnlich wie die „Kehren“ einer Passtrasse. Diese zählen, in diesem Fall, von 28 zu fahrenden Abschnitten herunter. Je nach Strecke darf man also noch die restlichen 7 bzw. 18 oder eben alle 28 „Secteurs“ fahren. Weiterhin kommt noch hinzu, dass diese 500 bis 4.000 m langen Abschnitte mit bis zu 5 Sternen kategorisiert sind. Je mehr Sterne also, desto anspruchsvoller der Abschnitt.
Mit „Pavè“ bezeichnet der Franzose alte Karrenwege, wo scheinbar jemand auf ca. 2-3 m Breite und eben 500- 4.000 m Länge Findlinge verloren hat und diese, nur durch reine Nutzung, ohne System mal mehr oder weniger in das Erdreich gedrückt wurden. Kurz gesagt, Kopfsteinpflaster der wirklich übelsten Kategorie.
Nach 46 km erreichte ich also den erste 2,4 km langen 5 Sterne Pavè und ab jetzt sollten auf insgesamt 18 Secteurs weitere 31 km feinstes Kopfsteinpflaster folgen. Wie auch bei den Profis, ist es vorteilhaft, als erster einen Pavè zu befahren, weil jeder Überholvorgang, speziell auf nassen Untergrund, einer Mutprobe gleicht.
Marit durfte auf ihrer 71 km Strecke ebenfalls nach der ersten Verpflegungsstelle den ersten Secteur unter die Räder nehmen. Direkt nach der Nahrungsaufnahme ging es quasi erst einmal „locker“ los mit 0,5 km und 2 Sternen, doch auch Sie durfte sich im weiteren Verlauf mit 3-4 und auch den 5 Sterne Pavè Carrefour de l’Arbre vergnügen.
Ganz nebenbei muss auch erwähnt werden, dass es von Secteur zu Secteur immer mehr Spaß macht, über die Pavès zu rumpeln. Speziell bei Rückenwind sind auch mal 40km/h in Unterlenkerhaltung drin, wenn man sich traut.
Der Mythos von Paris-Roubaix ist eindeutig das „Kopfsteinpflaster“ und wie die Fahrer nach diesem Rennen aussehen. Auch in der RTF-Variante bleibt man, egal bei welchem Wetter, nicht vom Dreck eben dieser Secteurs verschont. Ist es trocken, verstaubt alles und ist es nass verschlammt alles, doch man will es ja so, und das ist eben Teil bei Paris-Roubaix.
Jeden einzelnen Secteure hier zu beschreiben, würde den Bericht sprengen, wobei „beschreiben“ auch recht schwer fällt. Fakt ist, man muss es mal selbst erlebt haben, um eine Vorstellung zu bekommen, was dort wirklich abgeht. Fernsehübertragungen und Erzählungen spiegeln die Realität nicht wirklich wieder.
Abgerundet wird die Streckenführung dann mit dem Ziel im Vèlodrome de Roubaix. Hat man also alle auf der Strecke liegenden Secteurs „überlebt“, erfolgt die Einfahrt in das Vèlodrome, wobei die Hobbyfahrer dort keine Extrarunde fahren. Für die „ich habe mich lieb Ecke“ gibt es dann noch eine Finishermedaille und wer keine Berührungsängste hat, kann in den historischen Duschen des Vèlodrome noch eine „warme“ Dusche genießen. Dort ist jeder, sagen wir mal „Umkleidestellplatz“ einem Gewinner gewidmet und die Profis nutzen sicherlich heute noch diese Duschen, weil es einfach der Mythos Paris-Roubaix so verlangt.
Abschließend noch einige Zeilen zum Thema Material. Fahren kann man dort natürlich mit allem, was zwei Räder hat. Ob Carbon-, Alu- oder Stahlrahmen, jedes Material ist dort vertreten, ebenso wie tubular oder clincher. Was Sinn macht oder nicht, bleibt halt die Frage. Wir sind dort mit Carbon-Cyclocross und 32er CX-bzw. 28er Rennradpneus bei 3 bzw. 5 Bar gefahren. Zur Sicherheit hatten wir beide je zwei Ersatzschläuche und CO2-Kartuschen dabei. Breitere Reifen und geringerer Luftdruck machen die Pavès etwas „gemütlicher“ und wer noch mehr Komfort möchte, nutzt eine zweite Lage Lenkerband.
Neben diesen Möglichkeiten der Dämpfung hilft es auch, die Pavès schnell zu passieren. Gut, schnell ist relativ und kostet natürlich auch Kraft, doch dadurch bekommt man nicht jeden Stein einzeln zu spüren. Dieses Jahr war es aufgrund des Windes möglich, einige Pavès mit bis zu 40km/h zu passieren, was richtig geil ist, doch es gab auch Gegenwindpassagen, da war bei 18km/h Schluss mit Lustig und jeder Stein tritt Dir in den Hintern.
Letztendlich bleibt nun noch zu sagen, dass die Paris-Roubaix Challenge eine wirklich gut organisierte und, mit 20-30 EUR je nach Streckenlänge, bezahlbare Veranstaltung war. Muss man wirklich mal gemacht haben!
P.S. Nächstes Jahr will Marit dann auch die 140km Strecke in Angriff nehmen, es war ihr dieses Jahr zu wenig Kopfsteinpflaster auf der 71km Strecke!!