Tagebuch eines Rennfahrer-Novizen oder „Lessons to learn“/ Auftritt 1
von Jan Horstkotte
2. Gr. Preis der Gemeinde Börger, 18.03.2012, 13,6 km Rundkurs, 7 Runden, Gesamtdistanz 95 km (wenn man durchfährt), am Start: Karsten, Nico und Jan
Was zu beweisen wäre:
- 1 Woche Türkei All-in ist die beste Rennvorbereitung
- 165 km Grundlage reichen für die C-Klasse vollkommen aus
Aber von vorne,
für Börger haben Karsten, Nico und ich uns eigentlich erstmal nur vorgenommen zu lernen. Das sollte auch bitter nötig sein. Auf der Hinfahrt waren wir drei noch guter Dinge. Nico ist schließlich jung und talentiert, Karsten hat gut trainiert und ich war wenigsten gut erholt. Im Auto also schnell noch die Taktik absprechen: Erst mal beobachten und im Windschatten lutschen, wenn dann was geht… bitte schön. Nico’s Sorge, die 5 min. vor uns startende A/B-Klasse könnte uns im Laufe des Rennens einholen, konnte ich mit Leichtigkeit und profunden Rechenkünsten beiseite schieben…
Dann die erste wichtige Erkenntnis in Börger: Das Emsland ist nicht die türkische Riviera! Folgerichtig erwies sich meine vom Urlaub geprägte Kleiderwahl (kurz/ kurz) als etwas zu optimistisch für die gebotenen Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Mit ein wenig mehr Vorbereitung hätte ich sicher auch die Einlagen aus meinen Winterschuhen in die Sommerschuhe gelegt, die ich mit nach Börger genommen habe. Immerhin hatte ich die Schuhe nicht ganz vergessen…
Die nächste Hürde tat sich dann auf, als wir unsere Startnummern in den Händen hielten. Wo sind doch gleich die Sicherheitsnadeln? Was bei uns ein guter RTF-
Standard ist, muss noch lange nicht auf ein Lizenzrennen zutreffen. Also war schnorren angesagt. Glücklicherweise fanden wir ein paar Holländer, die uns Ihre Sicherheitsnadeln gaben.
Auf die Proberunde konnten wir dann leider nicht mehr gehen. Die Strecke sollte also größtenteils eine Überraschung bleiben. Ein Nachteil, wie sich schon bald zeigte. Vor dem Start klärte uns Jens dann noch auf, dass wir eindeutig als Anfänger zu erkennen sind. Die Startnummern waren allesamt an der falschen Stelle angebracht. Wieder was gelernt. Aber darum ging es uns ja auch.
Die nächste Lektion folgte sofort. Startaufstellung A/B heißt nicht, dass sich die C-Fahrer nicht auch schon in Position bringen sollten. Wo wir noch freundlich die A/B-Fahrer durchließen, formierten sich die „alten Hasen“ schon einmal in günstiger Position direkt neben der Startlinie. Dass die Begleitfahrzeuge der A/B-Gruppe jetzt leider nicht mehr durchkamen war allen Beteiligten (außer den wild hupenden Begleitern) herzlich egal. Das Ende vom Lied: Sprintax geschlossen am Ende des 90 Mann starken Starterfeldes.
Der Start verzögerte sich leider etwas, die A/B-Fahrer hatten nun schon 10 min. Vorsprung. Was nach meiner Rechnung bei der 13,6 km-Runde fatalerweise bedeutete, dass sie bereits näher hinter uns waren, als wir hinter ihnen…
Der Start verlief problemlos und wir konnten einige Plätze gut machen. Auf der breiten und langen Einführungsgeraden nahm das Feld sofort Tempo auf. Die Tachonadel fiel nicht mehr unter 50 und der Puls testete schnell neue Maximalfrequenzen. Als sich alles einigermaßen sortiert hatte, wurde es unruhig im Feld. Erst mal alles in Ruhe beobachten dachte ich und ließ kleine Lücken. Das war dann der letzte und schließlich auch schon entscheidende Fehler des Tages. Alle Lücken wurden sofort genutzt und am Ende der Geraden fanden Karsten und ich uns auf einmal am Ende des Feldes wieder. Nico machte es geschickter und schwamm gut im Feld mit.
Dass unsere Position ein großer Fehler war wurde uns dann bei der ersten Wende bewusst. Nach der scharfen Kurve wandelte sich die Strecke von einer breiten gut ausgebauten Landstraße in einen kleinen Wirtschaftsweg. Die Spitze des Feldes wusste genau was zu tun war und verschärfte das Tempo. Das Feld zog sich sofort in die Länge. Die nächsten Kurven machten die Situation nicht besser. Mit viel Aufwand haben wir jedes Mal den Anschluss wieder hergestellt. Die Lücken im Feld wurden derweil immer größer, mehr und mehr Fahrer konnten den Anschluss bei böigem
Gegenwind nicht mehr halten und fielen hinten raus. Die Folge: Eine Lücke von vielleicht 50 Meter trennten Karsten und mich von den nächsten Fahrern. Mit viel Einsatz konnten wir einige Fahrer einholen. Leider entwickelte sich keine dauerhafte Gruppe, da die anderen aufsteckten und das Rennen früh aufgaben. Schon jetzt, nach knapp 8 km war klar, dass wir die mittlerweile große Lücke zur Spitze alleine nicht mehr schließen können. Schließlich wird vorne auch nicht gebummelt. Psychologisch eine wirklich demotivierende Situation für uns: 5° Celsius, die Spitze in Sichtweite, wir mussten selber viel im Wind arbeiten und kamen keinen Meter näher heran. Hinzu die Gewissheit, dass uns am Ende der Eingangsgeraden jedes Mal erneut ein Höllenwind erwartete.
Da die A/B-Fahrer, bei denen auch Continental-Teams mitmischten, erwartungsgemäß dann etwas schneller waren als Karsten und ich, wurden wir bald eingeholt und gaben dann etwas frustriert in der vierten Runde auf.
Nico machte es deutlich besser als wir, aber auch er wurde ein Opfer der großen Lücken. Die Mitstreiter seiner Gruppe waren zum Teil deutlich schwächer. Mehrere Versuche mit den stärkeren Fahrern der Gruppe nach vorne auszureißen, scheiterten am mangelnden Willen der Mitstreiter. Nachdem seine Gruppe sich in der 6 Runde komplett auflöste, beendete unser Hoffnungsträger ebenfalls das Rennen.
Alle drei haben wir heute viel gelernt. Es sind eben nicht nur die Beine, die ein solches Rennen entscheiden.
Und ja, eine überragende Frühform kann man nach 165 km und 1 Woche Erholungsurlaub wohl nicht erwarten. Beweis erbracht.
Tagebuch eines Rennfahrer-Novizen oder „Lessons to learn“/ Auftritt 2
von Jan Horstkotte
11. Rund um Steinfurt, 15.04.2012, 9,4 km Rundkurs, 8 Runden, Gesamtdistanz 75 km (wenn man durchfährt), am Start: Werner, Dario, Nico und Jan
Auf ein Neues. Der Blick auf Google-Maps verspricht ideale Voraussetzungen für unser zweites Rennen: flaches Münsterland und keine verwinkelten kleinen Feldwege. Der Blick auf die Wettervorhersage stimmt ebenfalls erwartungsfroh: Regen unwahrscheinlich, Temperaturen um 10 Grad und keine Sturmböen. Und auch die Startzeit ist mit 10:30 Uhr einigermaßen erträglich.
Mit anderen Worten: Es gab keine verwertbaren Ausreden, um sich zu drücken. So ging es Samstag Morgen um 7 Uhr los. Auf der Fahrt dann die erste Ernüchterung, ab Ibbenbüren schüttete es in Strömen und die Temperatur sank auf 5 Grad. Zum Glück hörte der Regen auf, die Temperatur blieb aber im Keller.
Ein erstes Erfolgserlebnis hatten wir dann bei der Startnummernausgabe. Ja, wir sind lernfähig, alle hatten eigene Sicherheitsnadeln dabei. Und das war auch notwendig.
Außerdem haben wir in Börger gelernt, dass man besser vorne im Startblock steht und dann auch vorne im Feld mitfährt. Also ging es diesmal früher in die Startzone. Kaum war der Start-Zielbereich freigegeben stürmten die Fahrer auf die Straße. Im Gedränge war an eine geschlossene Mannschaftsaufstellung nicht zu denken. Werner, Nico und Dario konnten sich ein ganzes Stück vor mir positionieren. Hier ist noch Spielraum für Verbesserungen.
Direkt hinter der Startlinie ging es rechts in ein Wohngebiet. Für einen Kilometer musste sich das 230 Mann starke Fahrerfeld durch eine verkehrsberuhigte Zone quetschen. Erstaunlicherweise blieb niemand an den zahlreichen Ausbuchtungen oder im Kreisverkehr hängen. Nico musste allerdings auf den Bürgersteig ausweichen. In dieser Phase konnte ich zu meinen Mannschaftskollegen aufschließen.
Aus dem Wohngebiet heraus ging es auf einem schmalen Wirtschaftsweg eine kurze Abfahrt herunter. Am Ende dieses 1 km langen Feldweges bogen wir in einer 90 Grad Kurve auf eine gut ausgebaute Landstraße. Hier habe ich viel investiert (das Wort des Tages) um in der vorderen – ca. 80 Mann starken – Gruppe zu fahren. Den gleichen Fehler wie in Börger wollte ich nicht noch einmal machen. Trotz eines zwischenzeitlich guten Abstands konnten die Verfolger zum Ende des zwei Kilometer langen Teilstücks wieder aufschließen. Das erste Pulver hatte ich also schon einmal umsonst verschossen. Dann kam eine 45°-spitze Kurve. Das unvermeidliche in einem C-Rennen nahm seinen Lauf. Die Ziehharmonika. Mit brennenden Oberschenkeln ging es für 1 – 1,5 Kilometer auf leicht ansteigendem Terrain weiter. Die Straße gipfelte dann – im wahrsten Sinne – mit dem Anstieg zur Hollicher Mühle. Eigentlich alles andere als dramatisch (ich schätze 500 m mit 5-6% Steigung, vielleicht vergleichbar mit der Stedefreunder Straße in Brake; mein Ciclosport zeigte nachher 8% maximale Steigung an) reichte diese Rampe, um mich an das Ende des weit auseinander gerissenen Feldes zurückzuwerfen. Es liegt halt immer noch an der Geschwindigkeit wie schwer ein Berg ist. Ein Fahrer der gleichen Gewichtsliga schaute zu mir herüber und sagte: „Das ging ja schnell.“ Und meinte damit wohl das Ende seines Rennens und stieg aus. Ich wollte mich noch nicht geschlagen geben und habe versucht auf den 2,5 Kilometern hinein bis Burgsteinfurt noch einmal Anschluss an das Feld zu bekommen. Alleine im Wind allerdings vergebens. In der 90°-Kurve auf die 300 m lange Zielgerade konnte ich noch etwas Boden gut machen und hatte jetzt noch etwa 50 Meter Rückstand auf die nächsten Fahrer. In der Abfahrt auf dem Wirtschaftsweg konnte ich aufschließen. Die Fahrer des RSC Ochtrups waren unter dessen dabei einen Vereinskameraden aus der 4 m tiefen Böschung zu bergen. Es hat also auch Vorteile wenn man alleine hinter dem Feld fährt, da wird es halt auch nicht eng. Der Aufstieg zur Hollicher Mühle war im zweiten Anlauf noch anstrengender. Insgesamt konnte ich noch etwa 10 Fahrer einsammeln. Das Tempo konnten leider nur 2 von Ihnen halten, bis zum dritten Anstieg an der Mühle haben wir gut zusammengearbeitet. Hier platzte der dritte Mann weg. Auf der langen Geraden runter in die Stadt schlossen dann die bärenstarken Ausreißer des U17 Rennens – das Rennen startete 5 Minuten nach der C-Klasse – zu uns auf. Das Signal für den letzten verbliebenen Mitstreiter aufzustecken. Dem Feld der U17 wollte ich dann auch nicht mehr im Wege sein und bin darauf hin nach dem Ziel ebenfalls ausgestiegen.
Kommen wir also zum nächsten Vorteil eines gescheiterten Versuchs ein Rennen zu Ende zu fahren: Die leeren Duschen. Pünktlich zu den letzten 2 Runden stand ich also schon mit einem heißen Kaffee am Ziel und konnte mit den anderen mitfiebern. Werner war unter den ersten 10 und sah noch frisch aus. Nico schwamm im Feld mit und Dario hielt sich am Ende des Feldes zurück. Nach seinem Sturz mit dem Mountainbike am Vortag wollte er kein Risiko eingehen. Nach einer weiteren Runde ging Werner als vierter in die Schlussrunde. Die anderen beiden lagen zu diesem Zeitpunkt schon etwas zurück. Das Tempo wurde in der Spitzengruppe noch einmal deutlich angezogen. Dann der Zieleinlauf. Etliche Fahrer konnten die scharfe Schlusskurve nutzen, um sich an Werner, der an der Innenseite der Kurve eingeklemmt war, vorbeizudrücken. Eine große Gruppe setzte geschlossen zum Sprint an. Aus seiner Position konnte Werner leider nicht mehr um den Sieg mitfahren und rollte nach einer starken Leistung mit einer Top-30-Platzierung über die Ziellinie.
Lesson learned:
Die moderne Gesellschaft neigt zu übersteigertem Vertrauen in das Internet: Das Münsterland ist – wieder erwarten – nicht flach und Wettervorhersagen sind eben doch nur Prognosen.