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Maratona Dolomiti 2008

Von Karl-Heinz Opper

Jeder, der mit seiner Leistung nicht zufrieden ist, wird externe Gründe heranziehen, so auch ich. Schlecht geschlafen, zu wenig trainiert, so fängt es schon an. Nicht genügend Adrenalin, so schön wie beim ersten Mal wird´s nie wieder sein, eine besch…. neue Hose, die an den tückischsten Stellen zwickt und die im Verlauf des Rennens zu ständigen Rhythmuswechseln zwingt, ohne dass letztlich heftige Blessuren verhindert werden können, zu viel eiskaltes Wasser getrunken, etc.

Aber das ist alles nur Kleinkinderkram, denn das Gefühl, dabei zu sein, kleines Teilchen eines riesigen Ereignisses, überragt alle anderen Gefühle: Gänsehaut pur um 6.30 Uhr, wenn die Täler noch im tiefen Schatten liegen, die Sonne lediglich die Bergwipfel bescheint; hunderte, tausende fahren zu ihren Sammelpunkten, es wird eng; noch einmal zur Toilette gehen? Irgendwie wird es schon gehen. Hubschrauber, mindestens drei, überfliegen uns, einer landet. Später werden sie uns beim Aufstieg frische Luft zufächeln. Der Radsport lebt! Wir brauchen keine Doofen-Wimpel, um unsere Zusammengehörigkeit zu erfahren! Wir brauchen keine Päpste, keine Apostel und keine Renegaten!

Auf den ersten zwei Kilometern hätte ich einen Profi-Vertrag – für Senioren versteht sich – noch ohne Zögern unterschrieben, doch spätestens nach der ersten Runde, 55 km, Ankunft in Corvara , musste ich mich einen Narren nennen, der, losgelöst von aller Wirklichkeit, seinen Träumen nachhängt. Dabei wurde mir eines klar: Trotz Dr. Franke(nstein) und Scharping, der Radsport wird immer leben, durch uns!

Mit einem Ohr konzentriert auf die Renngeräusche der Neben-, Vorder- und Hinterleute, mit dem anderen Ohr die Lautsprecherdurchsage registrierend, glaubte ich zunächst kaum, was ich zu hören vermutet hatte: der Sieger auf der mittleren Distanz war schon ermittelt. Du quälst dich noch auf der 55er Runde und die ersten beenden schon ihre 106 km-Runde! Ich glaube, ich steige jetzt ab und erzähle meiner Frau eine Geschichte von meinen dramatischen Material-Problemen!

Weiter! Immerhin haben wir schon den Campolongo, den Pordoi, den Sella und den Gardena bezwungen. Jetzt geht´s ja nur noch einmal zum Campolongo und dann immer bergab, der Giau wird uns nicht platt machen.

-…

Zum dritten Mal bin ich Teil dieses großartigen Radsport-Ereignisses. Doch jetzt beginntdie dramatische Phase: Herzklopfen, Magenkrämpfe (das Quellwasser war wohl doch etwas kalt) und der Giau, der Gefürchtete, der Scharfrichter, von 1314 m bis auf 2236 m, 10 Kilometer nur bergauf. Heilandsack! Was tue ich mir da an? Nicht viele Chancen, Alter, hast du noch, diese Herausforderung anzunehmen,

Endlich auf dem Gipfel, wieder eine schöne Abfahrt erarbeitet (bis 85 kmh). Jetzt nur noch der moderate Falzarego aus der Richtung Cortina d´Ampezzo. Und dann kommt auch schon das Ziel, Glück pur, unbeschreiblich; auch nicht gemindert durch den respektlosen Lauser, der die Transponder-Befestigung abknipst, ohne dich auch nur eine Sekunde anzuschauen, dabei bis du einer von 9000 Gewinnern, wie die lokale Presse schrieb.also avanti, mach es! Supertypen fahren an mir vorbei, vielleicht neide ich ihnen ihre Jugend, ihren Elan, aber das Alter – das wir alle erleben werden – hat auch seine Vorteile, du musst nicht mehr mit den dreißigjährigen Jungs konkurrieren, du hast was geschafft und kannst dein Leben ohne diese schrecklichen Zwänge des Alltags einrichten.

Auch 2009 wird es den Maratona Dolomiti geben. Wer ist dabei? Und das meinen die Organisatoren, denen höchstes Lob für ihre phantastische Arbeit gebührt: Wir hoffen, Dich auch bei der nächsten Austragung der Maratona dles Dolomites begrüssen zu dürfen. Freude herrscht !