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Zurück in die Zukunft

Wer weiß, vielleicht wird ja eine ganze Serie daraus, in der wir „Zeitzeugen” bitten historische Anekdoten zu unserem Verein preiszugeben?

Der heutige Start könnte unter der Rubrik „Gründerväter” stehen. Wir haben ein wenig mit unserem Gründungsmitglied Gerd Kalkühler geplaudert und dabei viel Interessantes über sein bewegtes Leben und unseren Verein erfahren.

Gerd, wie war das damals bei der Gründung vom RC Sprintax?
„Wir waren zu siebt. In der Kneipe „Zur Etappe” von Tour de France-Teilnehmer Günther Pankoke haben wir den Verein 1969 gegründet.

Wisst Ihr eigentlich, wie es zum Namen Sprintax gekommen ist?”

Nein.

„Damals war es Amateurfahrern strikt verboten mit Reklame zu fahren. Von Alcinas Profiteam hatte ich eine Hose geschenkt bekommen, die waren ja noch beflockt, da habe ich dann den Namen einfach abgeknibbelt. Dort wo die Buchstaben waren, konnte man den Teamnamen natürlich noch erkennen und dafür wurde ich dann von der Rennleitung disqualifiziert.

Die einzige Möglichkeit diese Regelung zu umgehen, war zuerst einen Verein zu gründen und nach der Genehmigung durch den BDR ein Produkt mit dem gleichen Namen auf den Markt zu bringen. Wir hatten damals persönliche Kontakte zum Geschäftsführer der Präzision Werke Bielefeld, einer großen Fahrradfirma in Sieker, dort wo heute die Post ist. Bielefeld war damals ja mit Marken wie Falter, Gudereit, Rixe und vielen anderen die Fahrradhauptstadt Deutschlands. Die Präzision Werke planten eine neue Hinterradnabe mit dem Namen Sprintax auf den Markt zu bringen, daher wählten wir diesen Fantasienamen für unseren Verein. Leider ging es der Muttergesellschaft Fichtel & Sachs wirtschaftlich Ende der 60er nicht gut, so dass sie die Bielefelder Tochter schlossen bevor die Nabe zu Ende entwickelt wurde.”

Apropos Radfabrik, Du hast auch mal Rahmen hergestellt?

„Ja sicher, die deutschen Bahnfahrer haben ´76 auf meinen Rahmen Olympiagold geholt. Klaus-Peter Thaler wurde Cross-Weltmeister auf meinem Rahmen. Auch Gregor Braun (Anmerkung: der erfolgreichste Teilnehmer im olympischen Velodrom von Montreal 1976) und viele andere waren meine Kunden. Sprinter, Einerverfolgung, Vierer alle fuhren mit meinen Rahmen. Drei Goldmedaillen in Montreal und die Weltmeisterschaft im 1.000-Meter Zeitfahren wurden damit gewonnen.

Zu der Zeit war ich seit acht Jahren Gymnasiallehrer für Mathematik in Heepen. Diese Sonderrahmen habe ich nebenbei gebaut. Nach den Erfolgen wurde die Nachfrage so groß, dass ich mich entscheiden musste: Rahmenbau oder Lehrer.

Gegen den Willen meiner Frau, meiner Eltern und meines Rektors habe ich dann den Beruf des Lehrers aufgegeben und eine Radfabrik aufgemacht. Für Gudereit haben wir mit 15 Mitarbeitern täglich 300 „normale” Rahmen hergestellt. Dazu noch Einsteigerrennräder. Individualrahmen habe ich weiterhin persönlich gebaut.

Kommt mal mit, ich zeige euch einen meiner Rahmen, ein unverkäufliches Stück.”

Er geht in den Schuppen und zaubert mit einem Griff einen Stahlrahmen mit Rost-Patina hervor.

Rahmen Kalkühler

„Da sage noch einer, Stahl wäre schwer.”

Wir halten den Rahmen in der Hand, er ist erstaunlich leicht und wir glauben nicht, dass aktuelle Serien-Alurahmen das Besser können.

„Da kommt dann noch 500gr. Lack drauf?” fragen wir provozierend.

„Nein, das sind Columbus Record-Rohre mit einer Wandstärke von 0,4 mm, da wäre eine Sandstrahlung zur Vorbereitung der Lackierung gar nicht möglich ohne den Rahmen zu beschädigen.”

Und wie ging es dann weiter?

„Dann kam Taiwan auf den Markt und die Produktion in Deutschland hat sich nicht mehr gelohnt. Ich musste wie viele andere Bielefelder Firmen schließen. Zurück in den Beruf des Lehrers wollte ich nicht; den Beamtenstatus hätte ich mit 40 auch nicht mehr bekommen, also habe ich meinen Fahrradladen aufgemacht. Da im Winter weniger los war, habe ich noch Mathematik-Nachhilfeunterricht gegeben.”

Heute muss ein Rad ja schon unter 8 kg wiegen. Besser 6,3 kg. Carbon ist bereits in den untersten Rennklassen das angesagte Material. Wie sah das bei Euch aus?

„Wir hatten gemuffte Stahlrahmen mit Haken-/ Riemenpedalen und einer 7-Gang-Rahmenschaltung. Die Kurbelblätter hatten 52/42-Zähne.”

Unsere Trikots sind alle atmungsaktiv und schnelltrocknend. Einige Spezialisten fahren besondere Zeitfahranzüge. Helme werden immer leichter und windschnittiger. Was habt Ihr angezogen?

„Unsere Trikots waren, wie die Hosen, aus Baumwolle. Wenn es bei Rund um Frankfurt morgens um sieben Uhr im April regnete, waren wir schon am Start drei Kilogramm schwerer.”

Wie hast Du Dich auf die Rennen vorbereitet?

„Für Rund um Frankfurt sind wir zwei mal die Woche Rütli, Selhausen, Panzerstraße, Hermannsdenkmal, Gauseköte, Horn, Bärental, Paderborn, Lippstadt, Halle und noch mal rauf zum Sender gefahren. Das waren über 200 km. Oder wir sind Richtung Talle, Hohenhausen raus. Mallorca kam zur Vorbereitung ja noch nicht in Frage. Aber unsere lippische Heimat bietet genug schöne Strecken zur Saisonvorbereitung. Hier kann man sich auch auf eine Tour de France vorbereiten!”

Und wie sieht es mit Deiner Lieblingsdisziplin aus? Welcher Fahrertyp warst Du bzw. wo lagen Deine Stärken am Berg, beim Sprint oder auf der Bahn?

„Mein Herz gehörte der Straße, mein Talent lag aber auf der Bahn. Das wollte ich mir nie eingestehen. Mein Ziel war es immer den Henninger Turm zu gewinnen.”

Hattest Du ein Lieblingsrennen?

„Rund um Frankfurt bin ich immer gerne gefahren. Der letzte Berg im Rennen, der Mammolshainer (Anmerkung: kurz, aber mit 26% enorm steil), war für mich der Schicksalsberg des Rennens. Hier haben die Fahrer, die nicht spurten konnten versucht Fahrer wie mich abzuhängen.

Den Alpecinpreis in Bielefeld hätte ich auch gerne einmal gewonnen. Dafür war ich aber z.B. beim Brinkmannpreis in Hamburg erfolgreich.”

Was habt Ihr damals zur Verpflegung gehabt? Heute ist ein Rennen ohne Gel oder Energieriegel ja gar nicht mehr denkbar.

„Wichtig war vor allem vor dem Rennen ein Fundament zu schaffen. Das waren Müsli, Haferflocken, blutiges Steak und auch rohe Eier. Im Rennen dann Reiswaffeln, Bananen und Cola.”

Gab es einen Moment, oder eine Begebenheit, in Deiner aktiven Zeit der/ die Dir ganz besonders in Erinnerung geblieben ist?

„Als wir noch für den RC Zugvogel, damals noch RC Zugvogel Durex – übrigens auch eine Nabe, gefahren sind, wurden wir zu einem Etappenrennen nach Holland eingeladen. Die Leute jubelten uns überall zu, lachten und freuten sich uns zu sehen. Zum Schluss wollten sie sogar unsere Trikots kaufen. Wir wussten gar nicht, was los war. Bis wir herausbekamen, dass Durex in Holland die führende Kondommarke war…”

In welchem Alter hast Du denn mit dem Radsport angefangen?

„In der Jugend B mit 14 Jahren. Früher ging das damals nicht. Nach der Jugend ging es für mich innerhalb von 3 Monaten von der C- in die B- und dann in die A-Klasse. Hierzu brauchte man jeweils einen Sieg.”

Und wie weit hast Du es sportlich geschafft?

„Ich war im erweiterten Olympiakader für die Bahnwettbewerbe in Mexiko ´68. In Bielefeld fanden damals die „Amateur 6-Tage” als Endausscheidung statt. Ich stürzte und brach mir den Arm, das war’s dann.”

Hatte Sprintax früher eine starke Amateur-Mannschaft?

„Wir waren bundesweit erste Sahne im Rennsport und haben viele Titel geholt. Zum Teil hatten wir 40 Fahrer. Wenn wir angetreten sind, ging es für die anderen nur noch um die Plätze.”

Und wie kam es zum Wandel vom Rennsport zum Breitensport?

„Damals gab es nur Sachpreise zu gewinnen. Bei den ganz großen Rennen auch mal Geld. Bei Rund um Frankfurt z.B. 150 Mark für den Sieger. Die Preise staffelten sich bis zum 15., der noch 10 Mark bekam. Die ganz reichen Vereine wie z.B. Bayer Leverkusen haben uns dann die Talente weggeschnappt, die wir aufgebaut haben. Irgendwann stellst du dir dann als ehrenamtlicher Trainer die Frage „Wofür mache ich das alles?”.”

Anmerkung: Ähnlichkeiten zu den aktuellen Entwicklungen im Jedermann-Rennsport sind nicht zu übersehen…

„So, jetzt muss ich aber zusammenpacken, ich habe noch Nachhilfe-Unterricht.”

Wir bedanken uns recht herzlich für das Gespräch, es hat uns sehr viel Freude gemacht.

Ein Tipp von uns:

Wenn Ihr die Möglichkeit habt, plaudert mal ein wenig mit Gerd. Es lohnt sich, er hat noch viel mehr zu erzählen.